Willimann / Arai




Nina Willimann & Mayumi Arai
„The gift exercise / Invitation 8: Nitrogen“
Serie von Diazotypien die mit den
natürlich vorkommenden Ammoniakdämpfen im Hühnerstall entwickelt wurden.

Stickstoff (N) kommt in allen Organismen vor und ist essentiell für das Leben auf der Erde. Stickstoffelemente bewegen sich in einem endlosen Kreislauf zwischen der Luft und der Biosphäre. Die Moleküle des Elements Stickstoff (N2) bestehen aus je zwei miteinander verbundenen Stickstoffatomen (N≡N), die nur von bestimmten Bodenmikroorganismen aufgebrochen werden können. Die dadurch verfügbar gemachten Stickstoffverbindungen, genannt Nitrate, werden von Pflanzen aufgenommen und gelangen von dort über die Mägen in die Körper von Menschen und Tieren, deren Exkremente und toten Körper die Stickstoffelemente wieder verlassen, um in die Atmosphäre zurückzukehren. Lange Zeit ist Stickstoff nur sehr begrenzt verfügbar – neben seinem Vorhandensein in organischem Material auch in konzentrierterer Form in Gesteinsablagerungen. Davon zeugt der Name Salpeter (Steinsalz), ein in Europa verwendeter Trivialname für häufig vorkommende Nitrate. Es wird auch entdeckt, dass sich dieser wertvolle Dünger – neben seines natürlichen Vorkommens – auch aus Exkrementen herstellen lässt.
Auf der Suche nach dem ewigen Leben mischen in China taoistische Alchemist*innen Holzkohle, Schwefel und Salpeter und erfinden damit die Rezeptur des Schwarzpulvers, das zuerst als Medikament Verwendung findet. Erst ab dem 11. Jh wird die reaktive Eigenschaft dieser Mischung für die Herstellung von Waffen genutzt. Nach langer Geheimhaltung verbreitet sich dieses Wissen im Rahmen kriegerischer Auseinandersetzungen bis in den Arabischen Raum. Dort gelangt es im Rahmen der Kreuzzüge erstmals in die Hände von Europäern, die es sich aneignen und auf dessen Grundlage erste Handwaffen und Kanonen entwickeln.
Aufgrund spärlicher natürlicher Vorkommen von Salpeter bildet sich mittelalterlichen Europa rund um die Herstellung des wertvollen Rohstoffs für die Schwarzpulverproduktion eine ganzer Berufsstand. Salpetersieder kratzen im Auftrag der Behörden – und oftmals ohne Zustimmung der Gutsbesitzer – Mauersalpeter von den Wänden der Viehställe und graben die nitrathaltige Erde der Stallböden aus, welche sie anschliessend in einem aufwändigen Verfahren auskochen und zu Rohsalpeter veredeln. Später werden Salpeterplantagen angelegt, in denen ein Gemisch aus stickstoffhaltigen organischen Substanzen mit menschlichen und tierischen Exkrementen fermentiert wird.
Spätestens ab dem 17. Jahrhundert wird Salpeter zu einem Treibstoff der Expansion Europas. Die Kolonialmächte importieren zunehmend Salpeter aus Gebieten im globalen Süden, wo er in grösseren Mengen natürlich vorkommt.
Anfang des 20. Jh. gelingt in Deutschland die chemische Fixierung von Stickstoff aus der Luft. Das sogenannte Haber-Bosch-Verfahren macht die Stickstoffverbindung Ammoniak, die als Grundlage für die Produktion weiterer Stickstoffverbindungen dient massenhaft verfügbar. Die Erfindung des Haber-Bosch-Verfahrens führt zu einer massiven Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge und in der Folge zu einem historischen Bevölkerungswachstum – aber auch zu einer stetig zunehmenden Menge an Stickstoff im biologischen Kreislauf, der heute eine wachsende Gefahr für die Biodiversität und das Klima darstellt.
Das synthetische Ammoniak dient auch als Rohstoff für die Herstellung von Sprengstoffen mit immer grösserer Potenz. In der Landwirtschaft führt die nun unbeschränkt verfügbare Menge an Stickstoff zur Entwicklung von Pflanzenkulturen, die direkt mit nitrathaltigen Nährlösungen versorgt werden und somit nicht mehr auf den Erdboden angewiesen sind. Ammoniak verhilft auch neuen Technologien in anderen Bereichen zum Durchbruch. Im bildgebenden Verfahren der Diazotypie, einer Vorläuferin unserer heutigen Kopiermaschinen, werden Ammoniakdämpfe zur Entwicklung eingesetzt. Dies erlaubt eine schnellere und kostengünstigere Reproduktion von Dokumenten, die jedoch aufgrund der Instabilität der beteiligten Stickstoffverbindungen am Tageslicht mit der Zeit verblassen.
„The gift exercise / Invitation 8: Nitrogen“
Serie von Diazotypien die mit den
natürlich vorkommenden Ammoniakdämpfen im Hühnerstall entwickelt wurden.

Stickstoff (N) kommt in allen Organismen vor und ist essentiell für das Leben auf der Erde. Stickstoffelemente bewegen sich in einem endlosen Kreislauf zwischen der Luft und der Biosphäre. Die Moleküle des Elements Stickstoff (N2) bestehen aus je zwei miteinander verbundenen Stickstoffatomen (N≡N), die nur von bestimmten Bodenmikroorganismen aufgebrochen werden können. Die dadurch verfügbar gemachten Stickstoffverbindungen, genannt Nitrate, werden von Pflanzen aufgenommen und gelangen von dort über die Mägen in die Körper von Menschen und Tieren, deren Exkremente und toten Körper die Stickstoffelemente wieder verlassen, um in die Atmosphäre zurückzukehren. Lange Zeit ist Stickstoff nur sehr begrenzt verfügbar – neben seinem Vorhandensein in organischem Material auch in konzentrierterer Form in Gesteinsablagerungen. Davon zeugt der Name Salpeter (Steinsalz), ein in Europa verwendeter Trivialname für häufig vorkommende Nitrate. Es wird auch entdeckt, dass sich dieser wertvolle Dünger – neben seines natürlichen Vorkommens – auch aus Exkrementen herstellen lässt.
Auf der Suche nach dem ewigen Leben mischen in China taoistische Alchemist*innen Holzkohle, Schwefel und Salpeter und erfinden damit die Rezeptur des Schwarzpulvers, das zuerst als Medikament Verwendung findet. Erst ab dem 11. Jh wird die reaktive Eigenschaft dieser Mischung für die Herstellung von Waffen genutzt. Nach langer Geheimhaltung verbreitet sich dieses Wissen im Rahmen kriegerischer Auseinandersetzungen bis in den Arabischen Raum. Dort gelangt es im Rahmen der Kreuzzüge erstmals in die Hände von Europäern, die es sich aneignen und auf dessen Grundlage erste Handwaffen und Kanonen entwickeln.
Aufgrund spärlicher natürlicher Vorkommen von Salpeter bildet sich mittelalterlichen Europa rund um die Herstellung des wertvollen Rohstoffs für die Schwarzpulverproduktion eine ganzer Berufsstand. Salpetersieder kratzen im Auftrag der Behörden – und oftmals ohne Zustimmung der Gutsbesitzer – Mauersalpeter von den Wänden der Viehställe und graben die nitrathaltige Erde der Stallböden aus, welche sie anschliessend in einem aufwändigen Verfahren auskochen und zu Rohsalpeter veredeln. Später werden Salpeterplantagen angelegt, in denen ein Gemisch aus stickstoffhaltigen organischen Substanzen mit menschlichen und tierischen Exkrementen fermentiert wird.
Spätestens ab dem 17. Jahrhundert wird Salpeter zu einem Treibstoff der Expansion Europas. Die Kolonialmächte importieren zunehmend Salpeter aus Gebieten im globalen Süden, wo er in grösseren Mengen natürlich vorkommt.
Anfang des 20. Jh. gelingt in Deutschland die chemische Fixierung von Stickstoff aus der Luft. Das sogenannte Haber-Bosch-Verfahren macht die Stickstoffverbindung Ammoniak, die als Grundlage für die Produktion weiterer Stickstoffverbindungen dient massenhaft verfügbar. Die Erfindung des Haber-Bosch-Verfahrens führt zu einer massiven Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge und in der Folge zu einem historischen Bevölkerungswachstum – aber auch zu einer stetig zunehmenden Menge an Stickstoff im biologischen Kreislauf, der heute eine wachsende Gefahr für die Biodiversität und das Klima darstellt.
Das synthetische Ammoniak dient auch als Rohstoff für die Herstellung von Sprengstoffen mit immer grösserer Potenz. In der Landwirtschaft führt die nun unbeschränkt verfügbare Menge an Stickstoff zur Entwicklung von Pflanzenkulturen, die direkt mit nitrathaltigen Nährlösungen versorgt werden und somit nicht mehr auf den Erdboden angewiesen sind. Ammoniak verhilft auch neuen Technologien in anderen Bereichen zum Durchbruch. Im bildgebenden Verfahren der Diazotypie, einer Vorläuferin unserer heutigen Kopiermaschinen, werden Ammoniakdämpfe zur Entwicklung eingesetzt. Dies erlaubt eine schnellere und kostengünstigere Reproduktion von Dokumenten, die jedoch aufgrund der Instabilität der beteiligten Stickstoffverbindungen am Tageslicht mit der Zeit verblassen.