Findling - Vanity No.1 2010



Back to the Future
Mirjam Varadinis
Wer erinnert sich nicht an die "Back to the Future"-Trilogie. An Marty McFly, gespielt von Michael J.Fox, der mit seinem verrückten Freund Dr. Brown abenteuerliche Zeitreisen unternimmt. Während es im ersten Teil zurück in die Vergangenheit geht, verschlägt es die beiden im Teil II, der 1989 entstand (also im Jahr des Berliner Mauerfalles), in die Zukunft. Mit ihrem aufgetunten De Lorean flitzen sie durch die Zeitbarriere ins Jahr 2015, um dort ein Verbrechen zu verhindern. Als sie wieder zurück in der Gegenwart ankommen, merkt McFly, dass ein Relikt aus der Zukunft mitgereist ist: ein düsengetriebenes Super-Skateboard. Dieses passt sowenig in die 80er Jahre, in denen McFly eigentlich lebt, wie der "Findling (Vanity No.1)" von huber.huber auf die Wiese beim Bauernhof "Frohe Ussicht" am oberen Zürichsee. Wie ist dieses farbig glänzende Objekt bloss dahingekommen? Handelt es sich auch um ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit? In seiner schrill glänzenden Farbigkeit erinnert der Stein jedenfalls an die bunten 80er Jahre, an Lipgloss, Leggings und Neonsonnenbrillen. Er könnte gut mit Michael J. Fox alias Marty McFly und dem De Lorean in unsere Zeit gereist sein. Gleichzeitig ist da aber die Form des Steines, die etwas völlig Urtümliches hat. Sie ist abgerundet, weil der Findling vor Urzeiten von einem Gletscher über eine weite Strecke transportiert worden war. So vereinigt "Findling (Vanity No.1)" ganz unterschiedliche Zeiten und Zeitlichkeiten. Einerseits erinnert er an die Ur- und Frühgeschichte der Menschheit und die sehr langsamen, über Jahrtausende stetig fortschreitenden Bewegungen und Veränderungen von Gletschern und Gesteinen, andererseits verweist die glänzende Oberfläche auf die rasante Geschwindigkeit von schnellen Autos, wie sie unterhalb der "Froh Ussicht" auf der Autobahn A3 vorbeiflitzen. Die beiden Künstler dazu: "Der lackierte Stein widerspiegelt den Widerspruch des Tempos und der relativen Zeitspanne unseres modernen Zeitalters."
Der Lack, den huber.huber für die Oberfläche verwendet haben, wird denn auch unter dem Namen "Vanity" verkauft. Es ist ein hochmodernes und teures Pigmentgemisch, das gerne für getunte Autos verwendet wird, weil es einen Chamäleoneffekt erzielt: dh. je nach Standort des Betrachters wechselt jeweils die Farbe von sattem Grün in sattes Violett. Die Bezeichnung "Vanity" spielt hier also durchaus im doppelten Sinne, sowohl in der Bedeutung von Vergänglichkeit wie auch Eitelkeit.
Das Vanitas-Thema taucht bei huber.huber bereits in früheren Arbeiten auf. Auch die Untersuchungen zur Beziehung von Natur und menschlicher Zivilisation bzw. Natur und Wissenschaft/Technik sind für ihr Schaffen zentral - wie z.B. die Serie "Handhabung" (2007/2009) deutlich macht. Der Bauernhof "Froh Ussicht", wo huber.huber die Arbeit "Findling (Vanity No.1)" zeigen, ist selber fast ein Sinnbild dieses Konfliktes. Der Hof liegt in einer eigentlich idyllischen Landschaft, nicht weit von Zürich. Doch mitten durch die Landschaft zieht sich wie eine jähe Narbe die Autobahn A3. Unter diesem Blickwinkel hat der auf der Wiese zwar bunt glänzende, aber gerade in seiner schönen Oberfläche vergängliche Findling auch etwas von einem Grabstein für die Idylle der Natur.
Mit der Platzierung des industriell gesprayten Steines mitten auf dem natürlichen Grün des Feldes nehmen huber. huber zudem das Prinzip der Collage wieder auf - eine Technik, die für ihr Werk grundlegend ist. Die Collage verbindet eigentlich nicht Zusammenhängendes oder gar Widersprüchliches zu einem neuen Sinnes-zusammenhang. Das geschieht bei huber. huber, indem sie - wie hier im Buch - Landschaftsaufnahmen alter Fotos mit Bildern getunter Autos aus dem Internet zusammenfügen oder eben indem sie einen bunt lackierten Findling mitten auf einer grünen Wiese platzieren. Das Vermischen von Vergangenheit und Gegenwart bzw. verschiedenen Formen von Zeitlichkeit zieht sich dabei wie ein roter Faden durch das ganze Werk. Genauso wie Dr. Brown in "Back to the Future" gelingt es auch huber.huber immer wieder, das Zeit-Raum-Kontinuum zu durchbrechen und uns auf eine Zeitreise zu entführen .
Zürich, November 2010
huber.huber
Findling - Vanity No.1
Zum Projekt ist eine Publikation mit Text von Mirjam Varadinis (Kuratorin Kunsthaus Zürich) erscheinen.
Des weiteren gibt es eine Edition mit orginal Collagen der Künstler.
Nachricht von einem anderen Stern
ZürichseeZeitung 11.2010 von Barbara Bischof
Ein Meteorit ist vom Himmel gestürzt. Jetzt liegt er mit oszillierendem Schimmern auf dem Bauernland von Blums.
Wie erholsam ein Spaziergang über Land doch ist! Grad hat man den Hund von der Leine gelassen. Es riecht nach Herbstlaub, und ferne winkt der Gärnisch. Halt - was liegt da mitten auf der Wiese? Es schimmert violett. Man reibt sich die Augen. Vergeblich - es ist noch immer da, und diesmal türkis. Nun kommt man vom Weg ab. Geht zaghaft näher. An den Schuhen bleibt Erde kleben, und der Findling leuchtet noch intensiver. Ist er wirklich harmlos?
Bei der morgigen Vernissage auf dem Bauernhof „Froh Ussicht“ und auch künftig ist jedermann eingeladen, dies zu überprüfen. „Findling (vanity NO.1) ist eine Installation von huber.huber. Die 35jährigen Zwillingsbrüder-Künstler Markus und Reto Huber haben seit dem Abschluss ihrer Ausbildung an der Zürcher Hochschule der Künste bereits mit einer respektablen Reihe von Ausstellungen und Installationen Aufmerksamkeit erregt. Das ambivalente Verhältnis zwischen Zivilisation und Natur ist ein wiederkehrendes Thema bei huber.huber.
Zeitreise
Ihr geheimnisvoller „Findling (Vanity N0.1)“ wiegt drei Tonnen und stammt aus dem Urner Reusstal. Er wurde versiegelt mit zwanzig Schichten Karosserielack. Der von den Künstlern verwendete Lack ist ein hochmodernes und sündteures Pigmentgemisch, das gewöhnlich getunte Boliden ins rechte Licht rückt: Je nach Lichteinfall und Standort des Bewunderers oszilliert die Farbe von knalligem Violett bis zu sattem Grün.
Vanitas (lateinisch: Vergänglichkeit) und vanity (englisch: Eitelkeit) geben dem uralten Findling, der von einer Gletschermoräne ins Tal geschoben wurde, eine listige Doppelbedeutung. In einem kleinen Essai dazu schreibt Mirjam Varadinis , Kuratorin am Zürcher Kunsthaus: „Handelt es sich um ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit? In seiner schrill glänzenden Farbigkeit erinnert der Stein jedenfalls an die bunten 80er Jahre, an Lipgloss, Leggins und Neonsonnenbrillen. (…) Gleichzeitig ist da aber die Form des Steins, die etwas völlig Urtümliches hat.“
Findling - Vanity No.1
Zum Projekt ist eine Publikation mit Text von Mirjam Varadinis (Kuratorin Kunsthaus Zürich) erscheinen.
Des weiteren gibt es eine Edition mit orginal Collagen der Künstler.
Nachricht von einem anderen Stern
ZürichseeZeitung 11.2010 von Barbara Bischof
Ein Meteorit ist vom Himmel gestürzt. Jetzt liegt er mit oszillierendem Schimmern auf dem Bauernland von Blums.
Wie erholsam ein Spaziergang über Land doch ist! Grad hat man den Hund von der Leine gelassen. Es riecht nach Herbstlaub, und ferne winkt der Gärnisch. Halt - was liegt da mitten auf der Wiese? Es schimmert violett. Man reibt sich die Augen. Vergeblich - es ist noch immer da, und diesmal türkis. Nun kommt man vom Weg ab. Geht zaghaft näher. An den Schuhen bleibt Erde kleben, und der Findling leuchtet noch intensiver. Ist er wirklich harmlos?
Bei der morgigen Vernissage auf dem Bauernhof „Froh Ussicht“ und auch künftig ist jedermann eingeladen, dies zu überprüfen. „Findling (vanity NO.1) ist eine Installation von huber.huber. Die 35jährigen Zwillingsbrüder-Künstler Markus und Reto Huber haben seit dem Abschluss ihrer Ausbildung an der Zürcher Hochschule der Künste bereits mit einer respektablen Reihe von Ausstellungen und Installationen Aufmerksamkeit erregt. Das ambivalente Verhältnis zwischen Zivilisation und Natur ist ein wiederkehrendes Thema bei huber.huber.
Zeitreise
Ihr geheimnisvoller „Findling (Vanity N0.1)“ wiegt drei Tonnen und stammt aus dem Urner Reusstal. Er wurde versiegelt mit zwanzig Schichten Karosserielack. Der von den Künstlern verwendete Lack ist ein hochmodernes und sündteures Pigmentgemisch, das gewöhnlich getunte Boliden ins rechte Licht rückt: Je nach Lichteinfall und Standort des Bewunderers oszilliert die Farbe von knalligem Violett bis zu sattem Grün.
Vanitas (lateinisch: Vergänglichkeit) und vanity (englisch: Eitelkeit) geben dem uralten Findling, der von einer Gletschermoräne ins Tal geschoben wurde, eine listige Doppelbedeutung. In einem kleinen Essai dazu schreibt Mirjam Varadinis , Kuratorin am Zürcher Kunsthaus: „Handelt es sich um ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit? In seiner schrill glänzenden Farbigkeit erinnert der Stein jedenfalls an die bunten 80er Jahre, an Lipgloss, Leggins und Neonsonnenbrillen. (…) Gleichzeitig ist da aber die Form des Steins, die etwas völlig Urtümliches hat.“